Der Sinn des ÖPNV ist die reibungslose Bewegung von A nach B. Reibungslosigkeit umfasst dabei auch die der Vorbereitung der Fahrt dienenden Tätigkeiten wie den Ticketkauf. Sicher steigen die Online- und bargeldlosen Ticketkäufe und die Abos, aber Bargeld ist immer noch bei jedem zweiten Ticketkauf im Spiel.
Nun würden 7% der Ticketkäufe in den Fahrzeugen selbst vorgenommen und um diese geht es im vorliegenden Antrag. Seit Januar dürfen Kunden des Leipziger ÖPNV nicht mehr mit Bargeld in den Fahrzeugen zahlen. Sie werden gezwungen, wenn sie dort kaufen wollen, dies mit ihrer Bankkarte oder dem Handy zu tun. Was anfänglich als Zusatzangebot der Erweiterung der Zahlungsmöglichkeiten beworben wurde, entwickelte sich – wie so oft – zur Ersetzung und Abschaffung der bisherigen Angebote.
Zwar kann noch in den Servicestellen und an den stationären Automaten mit Bargeld bezahlt werden, aber diese sind eben nicht überall vorfindbar. Dort erstmal hinzufahren, um dann zu einem anderen Zielort, am besten noch zu gänzlich anderer Uhrzeit fahren zu können, führt den Sinn des reibungslosen ÖPNVs für diese Menschen ad absurdum. Es wundert uns deshalb nicht, dass die LVB ihrer Wahrnehmung nach keine Rückmeldungen zur Abschaffung der Bargeldzahlung in den Fahrzeugen erhalten hat. Wer sich heutzutage der heilsversprechenden Digitalisierung entzieht und bspw. ein Recht auf analoges Leben einfordert, wird meist belächelt oder direkt für nicht mehr ganz dicht erklärt – allen menschheitlichen Problemen der Digitalisierung zum Trotz. Diese Menschen, die, wie anhand des Themas deutlich, sowieso schon eher zum Rückzug neigen, werden auch deshalb wohl kaum der LVB online oder vor Ort kritische Rückmeldungen zu dieser sie ärgernden Entwicklung kundtun. Zumal sie ja bei einer persönlichen Rückmeldung auch erstmal zur Servicestelle fahren müssten.
Und warum sollten sie auch denken, irgendjemand schert sich um sie in dieser Frage? Zur Abschaffung wurden sie ja auch, wie bei so vielen anderen Segnungen dieser Zeit, nicht gefragt, sie wurden einfach zwangsgesegnet.
Wie kann aber nun jemand gegen bargeldlose Zahlungen sein? Nun, zuvörderst steht das Misstrauen gegenüber dem Staat. Die Leute wollen nicht gläsern und überwachbar sein – ob nun aus schlechten Erfahrungen mit der Stasi, dem Verfassungsschutz, dem BND oder anderen übergriffigen staatlichen Instanzen (das Finanzamt und die Steuerfahndung zählen wir in diesem Fall explizit nicht dazu^^). In zweiter Instanz aus Angst vor Kriminalität. Eine Bankkarte wie auch ein Handy sind deutlich leichter auszulesen, wenn man sie benutzen muss. Bei Bargeld entfällt das. Und zu guter Letzt, aber nicht unwichtig: aus Gewohnheit. Gerade ältere Menschen, Menschen mit geistigen Behinderungen oder mit seelischen Störungen sind bei solchen grundsätzlichen Änderungen ihrer Alltagsanforderungen mitunter in einer Weise herausgefordert, die sich manche Menschen kaum vorstellen können.
Insoweit ist die zentrale Frage, ob es sich lohnt, weiter Bargeldzahlungen in den Leipziger Fahrzeugen des ÖPNV vorzuhalten. Vor dem Hintergrund des Gesagten sagen wir ja, wenn auch wir neben den gewonnenen Neukunden, die sicher mehrheitlich digital zahlen, seit Januar vermutlich bereits viele der Genannten verloren haben.
Erhalt von Bargeld im ÖPNV

31. Mai 2025
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